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Wenn Astronauten tauchen

1 Bar Druck - so lernt man es schon als Tauchanfänger - 1 Bar druck herrscht auf Meereshöhe. Es ist die Gewichtskraft der Luftsäule die vom Weltraum bis zur Höhe der Meeresoberfläche wirkt. Sie drückt (je nach Wetter) mit 1013,25 Hektopascal gegen die Erdoberfläche, was 1 Bar entspricht. Die Luftsäule ist etwa 100km hoch. Interessant ist, dass für den selben Druck unter Wasser gerade mal 10m benötigt werden. Unter Wasser steigt der Druck linear mit der Tiefe:

 

0 Meter = 1 Bar

10 Meter = 2 Bar

20 Meter = 3 Bar

usw.

 

Aber im Weltraum sind es "0" Bar.

Und hier liegt auch schon der Unterschied zwischen den verschiedenen Dimensionen Weltraum und Wasser, wo sich jeweils Astronaut und Aquanaut aufhalten. Während der Aquanaut viel verdichtete Materie um sich hat, mit welcher Hilfe er sich auch fortbewegen kann, fehlt dem Astronauten diese im freien Weltraum gänzlich. (Mal abgesehen vom Sonnenwind und kosmischer Strahlung) Für den Astronauten ist es somit schwierig seine Flugrichtung zu ändern: Er muss die Materie (In Form von Luftpistolen) mit sich führen und diese zum richtigen Zeitpunkt in die richtige Richtung auszustossen, damit er sich fortbewegen kann. Genau dieser Effekt kann im Tauchbecken nicht oder nur sehr schwierig trainiert werden. (Dazu steigen sie in Flugzeuge und unternehmen Parabelflüge). Unter Wasser trainieren sie die Arbeiten welche ausserhalb an Raumschiffen und Raumstationen anfallen.

 

Sofern die Aquanauten richtig austariert sind, wird das Erlebnis der Schwerelosigkeit sehr realistisch. Dieser Umstand machen sich die Raumfahrtagenturen schon seit Jahrzehnten zu Nutzen und lassen ihre Astronauten unter Wasser trainieren. Hier eine Übersicht der verschiedenen Pools weltweit. 

Comparison of neutral buoyancy pools

Grössenvergleich der Pools - Bildquelle/Credits: Wikipedia

In den hiesigen Medien werden vor allem Bilder des ESA/DLR Pools in Köln und des NASA Pools in Houston gezeigt. Aber auch alle anderen grossen Raumfahrtagenturen betreiben solche Pools.

 

Die Astronauten trainieren in diesen Becken über Wochen für ihre Missionen im Weltraum. Die Tauchgänge dauern dabei wie ein geplanter Aussenbordeinsatz (EVA) im Weltraum zwischen 4-8 Stunden. 

Im Tauchbecken üben die Raumfahrer zum Beispiel, wie man Antennen an einer Raumstation montiert, Generatoren austauscht oder ein Kabel neu verlegt. Die Aufgaben sind mannigfaltig. 

Nebst dem Astronauten sind auch die für die geplante Mission genutzten Werkzeuge so austariert, dass sie wie im Weltraum im Wasser schweben.

Die Masse des Wasser bremst jede Bewegung ab. Das ist eines der grössten Unterschiede zum wirklichen Weltraumspaziergang: Wenn einem Objekt ein Impuls gegeben wird, folgt sie dem Vektor des Impulses schier endlos. Im Wasser wird die Bewegung relativ schnell wieder abgebremst.

Begleittaucher kontrollieren dabei das Astronautentraining unter Wasser und erzeugen dabei Effekte , welche die Schwerelosigkeit noch realistischer erscheinen lassen. Die Tarierung der Astronauten wird automatisch durch die Missions-Leiter im Controlroom übernommen, da diese im Weltraum nicht notwendig ist. Der Überdruck im Anzug gegenüber dem Umgebungsdruck entspricht etwa dem selben wie im Weltraum. Die Visor der Helme der Aquanauten sind optisch korrigiert, was dem Aquanauten einen unverfälschten Blick in die Trainingseinrichtung ermöglicht. Während die Aquanauten über das helmintegrierte Headset mit der Missioncontrol kommunizieren, erhalten die Taucher die Kommandos über einen riesigen Unterwasserlautsprecher akustisch.

 

Die Taucher wie Astronauten verwenden Nitrox als Atemgas. Die Taucher haben meist offene Atemsysteme, die Astronauten nutzen jedoch ein geschlossenes Kreislaufsystem, welche dem EVA-Anzug sehr ähnlich ist. Ausnahme sind vorbereitende Trainingstacuhgänge ohne Raumanzug, sondern mit einer (fast) ganz normalen Tauchausrüstung:

Unterwassertraining in Köln mit offenen Systemen - Bild Credits ESA www.esa.int/var/esa/storage/images/esa_multimedia/images/2018/02/nbf/17393843-1-eng-GB/NBF_pillars.jpg

Astronauten sind auch Dekompressionstaucher. Und das ist überlebenswichtig.

In den Raumschiffen und in der Raumstation ISS herrscht normaler Druck wie auf der Erde auch (1 Bar auf Meereshöhe). Im Vakuum des Weltraums blähen sich die Raumanzüge auf. Um so mehr der Druck im Anzug um so grösser die Aufblähung. Dadurch wird Raumanzug steif und die Raumfahrer können sich darin schlecht bewegen. Dies musste Ed White beim ersten amerikanischen Spacewalk mit schrecken erfahren: Bei der Rückkehr zum Gemini Raumschiff hatte er grösste Mühe, sich durch die Luke wieder in die Kapsel zu zwängen. Um diesem Umstand gerecht zu werden, wird der Druck im Raumanzug auf ca. 0,3 Bar abgesenkt. Nun, das ist schlicht zu wenig, um mit normaler Luft als Atemgas zu arbeiten. Die Höhenkrankheit wäre dann schnell da. Daher wird reiner Sauerstoff als Atemgas verwendet. 

Jeder zertifizierte Tauchsportler weiss sofort (sollte zumindest) dass dieser Druckunterschied nicht sofort erfolgen kann. Eine Dekompressionskrankheit wäre die Folge.

Aus diesem Grund atmen die Astronauten einige Stunden vor ihrem Aussenbordeinsatz reinen Sauerstoff. Dadurch wird der Körper bereits vor dem Raumspaziergang entsättigt. 

Innerhalb der Raumstation ISS ziehen sich die Astronauten den Druckanzug an und gehen danach in die Luftschleuse. Auch dort müssen sie mehrere Stunden verweilen. Der Druck wird sehr langsam gesenkt und der Druckanzug wird den Weltraumbedingungen angepasst. Dabei wird auch sichergestellt, dass die Astronauten (oder Kosmonauten) für den Aussenbordeinsatz entsättigt sind.

Als Taucher und Funkamateur habe ich eine spezielle Beziehung zu Astronauten: 

Manchmal hat man grosses Glück im Leben und man erlebt einer dieser Tage, von welchen man immer geträumt hat. Für mich war es das "Innere" der NASA kennen zu lernen und zwar mit richtigen Astronauten.

2016 war es soweit und ich hatte sogar die grosse Ehre neun Astronauten zu begegnen. Darunter auch Alexander Gerst. Warum und wieso ich zu diesem Ehrentag kam, erzähle ich in unserem Reisebericht USA 2016.

 

So habe ich auch das NBL und die ganze Faszination kennen gelernt. Gerne wäre ich in das Becken gehüpft.

A Propos Alexander Gerst: Hier noch ein Video eines früheren Unterwassertraining im NBL Houston:

Die Raumfahrtnationen haben in den letzten Jahren klar signalisiert, dass sie in der bemannten Raumfahrt den Erdorbit (endlich) wieder verlassen möchten und ihre zukünftigen Expeditionen in Richtung Mond und Mars ausdehnen. Wie sich zeigt, ist der Mond das greifbarere und realistischere Ziel. Mit dem Unterschied zu Apollo will man nun aber nicht nur eine Kurzvisite unternehmen, sondern für längere Zeit bleiben und leben. Das ist eine ganz andere Anforderung an die Ausbildung an die Astronauten.

So wurde im NBL im Johnson Space Center in Houston ein Trainingsbereich für die Mondmissionen des Artemis Programms eingerichtet. Anstatt komplett schwerelos, werden nun Astronauten und Werkzeuge auf ca. 1/6 der Erdanziehungskraft austariert. Das ist für die NASA nicht gerade Neuland, aber da die praktischen Erfahrungen 50 Jahre zurückliegen und die Technik sowie Raumanzüge sich weiterentwickelt haben, müssen sich auch die Profis erst einmal wieder heran tasten. Gerade wurden die ersten Bilder aus dem NBL in Houston veröffentlicht:

Nun, mit den Wasserbecken ist es nicht getan. Dort trainieren die Astronauten nur Stundenweise. Im Weltraum ist man aber Wochen und Monate. Das ist eine spezielle Herausforderung für Körper und Geist. Auch daran denken die Raumfahrtorganisationen. Zum Beispiel mit dem Projekt "NASA Extreme Environment Mission Operations" oder einfach kurz: NEEMO.

NEEMO ist ein Unterwasserlabor, dass derzeit vor dem Longkey, bei den Florida Keys auf knapp 20m Tiefe. Die Aquarius, so heisst das Unterwasserhabitat, entspricht etwa der Grösse des Swesda Modul der ISS. Die Astronauten, hier wieder Aquanauten genannt, trainieren hier die Zusammenarbeit und Zusammenleben in einer isolierten Welt. Eine Trainingscrew besteht in der Regel aus vier Astronauten und zwei Technikern. Zusätzlich wird die Crew von einer Mission-Control auf dem Long-Key begleitet.

Wer über das notwendige Kleingeld verfügt, kann dieses Habitat auch für private Expeditionen chartern. 

Aquarius external.jpg
By NASA - <a rel="nofollow" class="external free" href="http://spaceflight.nasa.gov/gallery/images/behindthescenes/training/html/jsc2006e40961.html">http://spaceflight.nasa.gov/gallery/images/behindthescenes/training/html/jsc2006e40961.html</a>, Public Domain, Link

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