· 

Im See gibt's nichts zu sehen - Falsch!

Das Tüpfelchen auf dem "i": Vor und nach dem Tauchgang ein herrliches Panorama zu geniessen.
Das Tüpfelchen auf dem "i": Vor und nach dem Tauchgang ein herrliches Panorama zu geniessen.

Ja, auch wenn wir uns Milleniums-Diver nennen dürfen, frönen wir dem Unterwassersport auch in Zukunft mit viel Begeisterung weiter. Und hoffentlich wird das auch noch lange so bleiben :-)

Das zweite Jahrzehnt mit Taucherfahrung haben wir in einem guten Jahr erreicht.  Und seit Beginn an hören wir in unserem Bekanntenkreis immer wieder folgenden Satz: "Im See tauchen? Wozu? Da sieht man doch nichts!"

Klar, wenn man an die überdüngten Gewässer der 70er und 80er Jahre des vergangen Jahrhunderts zurück denkt, kann man sich wirklich nicht viel Spannendes darunter vorstellen. Und der Vergleich mit dem Meer hinkt ja gewaltig. Genau so gut kann man unsere heimischen Wälder mit den tropischen Regenwälder vergleichen. Die heimischen Wälder, die oft aus wirtschaftlichen Gründen vor allem aus Nadelholz bestehen, sind ja recht schön, aber niemals mit einem naturbelassenen Jahrhundert alten tropischen Regenwald am Amazonas zu vergleichen. Wald ist Wald, Wasser ist Wasser, aber doch nicht das Gleiche. Oder wie man im Tinglish gerne sagt "Same, same, but different"

 

Immerhin haben wir bisher 40% unserer Unterwasserabenteuer im Süsswasser unternommen. Ich will mal behaupten, dass wir doch schon einiges Kennen. Und es zieht uns auch heute noch oft in das (auch im Sommer) eiskalte Wasser. Also muss es ja "dort unten" etwas zu sehen sein, was uns fasziniert.

Zerklüftete Canyons, schier endlose Steilwände sind vor allem Winter bei guter Sicht atemberaubend schön.
Zerklüftete Canyons, schier endlose Steilwände sind vor allem Winter bei guter Sicht atemberaubend schön.

Dem Vorurteil, dass es in unseren heimischen Gewässern nichts zu sehen gibt, sind wir beinahe selbst auch aufgelaufen. Und nach den ersten Erfahrungen im Süsswasser, war es ein Wunder, dass wir überhaupt noch dort tauchen. Nach unserer Rückkehr von unserer OWD Ausbildung in El Hierro, sind wir am Vierwaldstättersee entlang gefahren. Am Lopper Hergiswil entdeckten wir einige Taucher, die sich gerade für den nächsten Tauchgang bereit gemacht haben. Wir hielten an und schauten zu. Mit dem Tauchlehrer kamen wir rasch ins Gespräch. Es war Reto Loretz von der DTC Tauchschule Luzern. Er hat uns überzeugt, einmal mit ihm im See abzutauchen. 

Wenige Wochen später haben wir uns dann wieder am Lopper in Hergiswil getroffen. Reto und Cristina führten uns in das Abenteuer Süsswasser ein. Reto wies uns darauf hin, dass auf Grund einer längeren Regenperiode der See stark eingetrübt sei. Aber ab 15m Tiefe sei die Sicht über 10m weit.

Für uns kaum vorstellbar. In El Hierro hatten wir glasklares Wasser erlebt. "Nur" 10m soll es nun sein? Als wir abtauchten, verstand ich sofort was Reto unter trüb meinte. Ich konnte ihn kaum erkennen, obwohl er gerade neben mir war. Ich konzentrierte mich auf meine gelernten Tauchfähigkeiten und folgte ihm weiter in die Tiefe. Und tatsächlich: Genau nach der Sprungschicht auf 15m Tiefe war die Sicht auf einmal viel besser. Trotzdem: Meine Erwartungshaltung war viel bessere Sicht und entsprechend enttäuscht war ich. Aber nur ein wenig. Denn das Gefühl unter Wasser zu sein, ist einfach unbeschreiblich. 

In der Folge haben wir ein paar begleitete Tauchgänge bei DTC gebucht, damit wir entsprechende Sicherheit erlangten. Unsere CMAS Zweistern haben wir dann ein knappes Jahr später bei DTC absolviert - im Trockentauchanzug.

Keine Frage, wer hier der Boss ist: Der Hecht kann beachtliche Grössen erreichen - vor allem in Gegenden, wo die Angler ihn nicht fangen können
Keine Frage, wer hier der Boss ist: Der Hecht kann beachtliche Grössen erreichen - vor allem in Gegenden, wo die Angler ihn nicht fangen können

Die Vorgeschichte zeigt, wir tauchen bis heute oft und gerne im Süsswasser. Und wir können uns über die Möglichkeiten nicht beklagen.

"Same, same but different". Taucherisch ist der See bezüglich Sicht und Kälte eine besondere Herausforderung. Oft Diffus sind die Lichtverhältnisse und man erkennt Dinge nur Schemenhaft. Das macht die Orientierung schwierig. Und die Kälte bedeutet für den Taucher mehr Material: Mehr Kälteschutz, mehr Blei, mehr Sicherheitsausrüstung (2 Ventile am Gerät, Vereisungssichere Automaten). Sicher, nicht jedermanns Sache.

Im Winter, wenn der See so weit abkühlt, dass die Sprungschichten verschwinden, beginnt die Umwälzung. Tiefenwasser steigt empor und die oberen Schichten sinken ab. Mit ihnen das ganze Sediment, welches das Wasser eintrübt. So ist die Sicht im Winter oft hervorragend. Mit viel Glück bis 30m. Da kommt die ganze Unterwassertopographie zum Vorschein. Natürlich fehlen dann die Unterwasserpflanzen und Lebewesen.

Im Frühling wird es spannend. Zuerst sieht man viele Köcherfliegenlarven und hie und da ein paar Schnecken. Später gesellen sich Kröten dazu, die im Flachwasser laichen. Aus diesem entstehen dann tausende Kaulquappen. Die ziehen dann auch wieder die Räuber wie Egli und Hecht an.

Im Sommer spriesst das Seegras. Zugegeben: Die Seepest, eine nicht heimische Art, dominiert inzwischen die Unterwasserwelt.

Im Sommer und Herbst ist das Seegras sehr beeindruckend. Und es gibt darin sehr viel Leben zu entdecken. Das Tauchen im Flachwasser ist eine spezielle Herausforderung. Vor allem gilt es Tiere und Pflanzen nicht zu (zer-)stören.

Der Luzerner Fischatlas zeigt schön auf, was es in unseren Gewässern alles zu entdecken gibt. Die Ausgabe ist zwar aus dem Jahr 2010, was aber kein Problem ist. Bei den heimischen Fischarten behält er hoffentlich noch lange seine Gültigkeit.

Der Dominator unter den heimischen Fischen ist das Egli (Flussbarsch). Kaum ein Tauchgang, bei welchem wir dieses gestreifte Tier nicht sehen. Etwas exotisch anmutend ist die Trüsche. Da sie oft am Grund und in Felsspalten zu entdecken ist, erinnert sie hie und da an eine Muräne aus dem Meer. Die grossen manchmal blau leuchtenden Augen sind magisch. Der Boss in den schweizer Seen ist der Hecht. Leider gibt es selten noch grosse Exemplare. Zu fest ist die Gier auch bei den Hobby-Anglern, diesen Jäger zu fangen. Aber ab und zu werden wir beglückt.

Diese drei Fischarten sind im Uferbereich oft zu sehen. Ab und zu wird man von einer Brachsme beglückt. Am Abend und in der Nacht sind die kleinen Groppen zu finden, die durch ihr Verhalten als Grundfisch auch an Drachenköpfe erinnern. Rotfeder und Hasel sind je nach Tauchplatz auch zu sehen, erfolgreich habe ich aber noch nie eine dieser Fische fotografieren können. Auch den Aal nicht. Der ist im Vierwaldstättersee an Orten zu finden, wo es für Taucher schwierig ist hin zu kommen.

Sozusagen die Stamm-WG im Vierwaldstättersee. Egli, Hecht, Trüsche und Groppe treffen wir bei unseren Tauchgängen oft an

Wie im Fischatlas zu sehen ist, werden auch fremde Arten immer mehr gesichtet. Und hier ist der Atlas (leider) nicht up to date. Auch wenn es für uns Taucher hie und da Abwechslung bringt, verdrängen die fremd ausgesetzten Fische unsere heimischen Fischarten. Der Sonnenbarsch wurde vor allem in kleinen Gewässern schon früh entdeckt. Immer öfter entdecken wir Kaulbarsche bei unseren Tauchgängen. Auch der Galizienkrebs ist immer öfter zu sehen. Er ist vor allem daran schuld, dass die heimischen Krebsarten an der Krebspest verenden. Freunde von Aquarien, welche die zu Last gewordenen Fische weiter leben lassen wollen, setzen die fremden Fischarten gerne aus. So ist im Sempachersee der Wels schon eine wahre Plage geworden.

Und wenn man das Auge für's Kleine hat, dann gibt es in der Makrowelt einiges zu entdecken. Lustig anzusehen sind die Köcherfliegenlarven. Die "herumkriechenden" Zweige sehen lustig aus. Und wenn man ganz genau hinsieht, kann man den Kopf des Insekts gut erkennen. Aber wegen Insekten gehen wir nicht zum Tauchen. Die Vertreter den Weichtiere mit harter Schale sind ebenfalls gut vertreten. 25 Arten soll es im Vierwaldstättersee geben. So lange das Seegras weit verbreitet ist, sieht man vor allem die Spitzschlammschnecke, Ohrschlammschnecke, Schnauzenschnecke und die Tellerschnecke.

In den Wintermonaten entdeckt man nur wenige Weichtiere. Am ehesten die Spitzschlammschnecke. Doch sobald das Seegras gut gedeiht, dann sind auch die übrigen Schneckenarten zu sehen. Leider ist die Wandermuschel ein Problem geworden, die im Uferbereich so ziemlich jeden Felsen in Beschlag genommen hat.

An Felsen kann man Süsswasserschwämme entdecken. Im Vierwaldstättersee sogar leicht rötliche. Als Laie übersieht man diese gerne, da sie doch eher wie Algen aussehen. Übersehen tut man auch gerne die ganz kleinen Vertreter der heimischen Gewässer. Die Schwebegarnelen habe ich selbst erst kürzlich per Zufall erst bei der Bildbearbeitung entdeckt. Und was manchmal wie weisse Fäden wahrgenommen wird, sind Süsswasserpolypen. 

Wer es noch genauer wissen möchte, den verweise ich gerne auf die Webseite Patrick Steinmann www.psteinmann.net. Er hat die Unterwasserbiologie der Schweizer Gewässer etwas genauer unter die Lupe genommen. Sein Wissen hat er sehr verständlich auf seiner Webseite veröffentlicht.

Selbst in der Makrowelt gibt es im Süsswasser einiges zu entdecken. Schnecken, Muscheln, Polypen und teilweise fast durchsichtige Wesen.

Daniela ist schon einmal beim Schnorcheln einem Süsswasser-Krokodil begegnet. Ok, dass war nicht in der Schweiz, sondern in Australien. Auch in unseren Gewässern gibt es Reptilien. Nein, ich rede nicht von dem Kaiman im Hallwilersee. (Was vermutlich ein grosser Wels gewesen ist). Die Wüfelnatter wurder im letzten Jahrhundert am Alpnachersee am Lopper ausgesetzt. Schon lange warte ich darauf, ein Exemplar einmal unter Wasser zu sehen. Im Vierwaldstättersee ist mir das noch nicht gelungen. Aber im Lago Maggiore hatten wir einmal ein Exemplar zu Gesicht bekommen.

Nebst den Reptilien sind natürlich auch Amphibien zu sehen. Allen voran die Kröten. Im Frühling sind sie zu Hauf bei der Paarung und Laichen zu sehen. Die Kaulquappen beleben danach für Wochen die Riffe.

Exotische Würfelnatter oder oft gesehenen Kröten: Wenn man sich Zeit nimmt, gibt es viel zu beobachten.

In die Geschichte lässt sich ebenfalls gut abtauchen. Faszinierend sind Überreste von Pfahlbauten. Das ist sehr spannend, solche Artefakte direkt in der Natur bewundern zu können. Wie im Meer gibt es auch in den Seen Wracks zu entdecken. Ob durch ein Unglück oder absichtlich versenkt, bieten die Wracks schöne Abwechslung beim Tauchen.

Von den künstlichen Wracks ist "Bruno" wohl das bekannteste Wrack. Es wird für Tauchausbildungen genutzt. Und das kann dort durchaus herausfordernd sein, da es in einem Gebiet mit Bach- und Flussmündungen liegt, die ab und zu für recht trübe Sicht sorgen kann. Auch wir haben uns schon bei fast Null-Sicht herrlich vertaucht.

Nauen aus den vergangenen Jahrhunderten sind ebenfalls zu bestaunen. Eines liegt recht eindrücklich am Bürgenstock. Im Sempachersee liegt eines mit einer dunklen Vergangenheit. Ein Anschlag auf die Naue sollte eine Frauen-Badi verhindern.

Allerlei Wracks findet man ebenfalls in den Schweizer Gewässer. Ganz unten rechts der Weidezaun (oder Fischfalle) aus den Pfahlbauzeiten im Sempachersee.

Nun, es gibt auch Jahreszeiten in den heimischen Gewässern, wo sich das Leben stark zurückgezogen hat und kaum erkennbar ist. Dann wird die Sicht durch die Umwälzung sehr gut und man kann die Unterwassertopographie bestaunen. Trotzdem scheint es einigen Tauchern zu langweilig zu sein und haben so einige Skulpturen unter Wasser installiert. Vorteil: Das sind sehr gute Navigationspunkte (Auf 25m beim Zwerg, links bis zur Baustelle, dann langsam aufsteigen, usw.). 

Nur müssen wir Taucher auch aufpassen, dass die Seen damit nicht zugemüllt werden. Denn diese sollten auch gepflegt werden. Ansonsten muss man das Ganze mit der Zeit als Abfall betrachten und von dem haben wir sowieso genug unter Wasser.

Teilweise sind die Ideen sehr Originell. Und so ganz einfach ist es nicht, so eine Skulptur in der beinahe Schwerelosigkeit zu installieren. Darunter soll es auch schon einige Geo-Caches geben. Naja, keinem soll es langeweilig unter Wasser sein. Und Denksportaufgaben unter Wasser zu lösen ist wirklich eine Herausforderung!

Zum Teil liebevoll dekorierte "Navigationspunkte" in unseren Seen.

Wer die glasklare Sicht vermisst, wird im Tessin belohnt. In den Flüssen Maggia und Verzasca erlebt man unglaubliche, glasklare Sicht. Sogar besser als im Meer - würden die Felswindungen die Sicht nicht beschränken. Bei schönem Wetter ist das Lichtspiel sensationell schön.

Hin und wieder machen wir den Abstecher in die Südschweiz. Nicht ganz ungefährlich ist allerdings dieses Vergnügen. Es darf mindestens 3 Tage in der Region Tessin nicht geregnet haben. Ansonsten kann es unter Wasser sehr schnell ungemütlich werden. Und dann sind auch die Stauseen, die spontan grosse Wassermengen in die Flüsse abgeben können.

Unsere Erlebnisse dort haben wir auch schon in einem Reisebericht festgehalten.

Es ist bestimmt nicht jedermanns Geschmack. In den heimischen Gewässern zu Tauchen ist speziell. Entweder man liebt es, oder lässt es relativ schnell sein. Natürlich ziehen auch wir ein buntes Riff dem grün/grauen Seen vor. Doch die Seen haben mehr zu bieten, als es sich Aussenstehende vorstellen zu vermögen. Wir kommen auf jeden Fall jedes mal sehr fasziniert von unseren Tauchgängen zurück.

 

Same same, but different.

Kommentar schreiben

Kommentare: 0