Welches ist das beste Satellitentrackingprogramm?

STS Plus war in den 90er Jahren des vergangenen Jahrhunderts eines der bekanntesten Bahnverfolgungsprogramme
STS Plus war in den 90er Jahren des vergangenen Jahrhunderts eines der bekanntesten Bahnverfolgungsprogramme

Es ist für mich einfacher, den Doppler-Effekt zu erklären, als die Frage über das beste Satelliten-Tracking Programm zu beantworten. Zumal es nach meinen Kenntnissen gar kein "Tracking"-Programm für Funkamateure gibt. Denn dieses müsste den Satelliten im Orbit physisch erfassen und aktiv (Radar, Laser oder auch optisch) verfolgen. Aber vielleicht ist das auch nur eine Wortklauberei wie bei Streckendämpfung und Freiraumdämpfung?

 

Und bevor ich dem Fragenden ein halbwegs vernünftige Antwort geben kann, gilt es erst einmal eine Glaubensfrage zu klären: "Welches Betriebssystem?"

 

So unterschiedlich die Meinung zum Betriebssystem sind, so sind diese auch zu den jeweiligen Satellitenprogrammen. Das "Beste" kann es aus dieser Betrachtungsweise eigentlich nicht geben. 

 

Aber auch wenn man die "Glaubensfrage" erst einmal ausblendet: Selbst dann ist eine vernünftige Antwort auf den Leader der Trackingprogramme noch nicht möglich. Denn selbst da gehen die Anforderungen und Bedürfnisse weit auseinander, wenn man sich folgende Dynamik der Fragen betrachtet:

- Geht es nur darum, die eine Vorhersage Überflugszeiten zu erhalten, oder auch um die komplexe visualisierte Darstellung?

- Ist eine Desktop oder mobile Lösung gefragt?

- Müssen Peripherien damit gesteuert werden (Transceiver, Rotor)

- Soll auch noch ein Logbuch gleich integriert sein?

- Oder geht es "nur" um den Telemetrieempfang?

- Soll es "fancy" wie in einem Science-Fiction Film ausschauen oder einfach technisch nüchtern?

 

In der Tat gibt es nicht "das ultimative" Programm. Aber es gibt zahlreiche gute Lösungen, die spezifische Anforderungen erfüllen. Und teilweise "kommunizieren" die auch untereinander.

Wie jeder andere Neulizenzierter, stand auch ich zu Beginn meines Weltraum-Abenteuers vor dieser Frage. Allerdings "gab es" damals noch kein Internet, respektive war der Zugang für mich damals unbezahlbar. Packet Radio war aber zu dieser Zeit schon einmal eine gute Quelle und man fand schon einige Informationen und Applikationen. Der Download mit 1200Bd dauerte aber eine Ewigkeit.
In meiner USKA-Sektion gab es zu diesem Zeitpunkt niemanden, den ich über dieses Thema ausfragen konnte. Der Zugang zu Informationen und Daten war damals noch sehr beschwerlich. Heutzutage steht man wohl eher dem Problem gegenüber, aus der Fülle von Informationen und Daten das richtige für sich heraus Filtern zu können.


An der Hamradio 1996 hat sich für mich persönlich jedoch einiges geändert. Dort habe ich mir die CD-Rom von "QRZ" und das Satellitenhandbuch der AMSAT-DL beschafft. Das Handbuch verschlang ich in den darauf folgenden Ferien auf Griechenland am Pool . (keine Zeit für Ausflüge und der Tauchsport war für mich damals noch ein rotes Tuch).

Schade ist dieses wunderbare Handbuch heute vergriffen. Es war alles an Grundlagen enthalten, was man als Satelliten-Amateur damals und auch heute wissen musste.

 

Bei der Durchforschung der CD-Rom von QRZ fand ich die Applikation STS-Plus. Eine Software, welche mit Vector-Graphik visualisierte Bahnverfolgung ermöglichte. Fasziniert beobachtete ich die Visualisierung auf meinem DOS-Rechner, schaute mir die ausgegeben Daten genau an, verglich sie mit den Erklärungen im AMSAT-DL Satellitenhandbuch - und lernte.

 

Faszinierend war, dass die Applikation bei Missionen von Space Shuttle und MIR sowohl bei Mission-Control wie auch an Bord der Raumschiffe/Station eingesetzt wurden. Die Astronauten haben sich aktiv an der Weiterentwicklung damals beteiligt, wie man im Archiv von STS-Plus nachlesen kann. Hier zum Beispiel ein Bild aus der Raumstation MIR. Irgendwie fühlte man sich als Funkamateur auch ein wenig als Mission-Control.

 

Meine erste Station bestand damals aus einem FT-736, zwei TV Rotoren (Je einer für Azimut und Elevation) und langen Kreuzyagis. Das Geld hat damals noch nicht für Vorverstärker und andere Bestandteile gereicht. Azimut und Elevation steuerte ich manuell. Gleiches tat ich mit dem Dopplereffekt. Englisch war für mich mehr als nur eine Fremdsprache. So habe ich bei jedem QSO Blut geschwitzt und viel dabei gelernt. Auch ein wenig englisch...

 

Irgendwann vernahm ich von der Software Winham. Kurt Moraw, DJ0ABR, hatte die Software damals geschrieben. Ein Programm, welches ein Logbuch beinhaltete, Satellitenbahnen berechnete, via CAT den Transceiver steuerte und auch die Rotorsteuerung übernahm. Die Satelliten wurden mit Kurt's Stimme jeweils angekündigt. Einige Jahre hatte ich damit grossen Spass.

 

Leider hat Kurt die Entwicklung nach der Jahrtausendwende eingestellt. Aus heutiger Sicht kann ich das gut verstehen. Das Tool war sehr mächtig und musste stets den neuen Anforderungen angepasst werden. Und als alleiniger Autor einer immer grösseren werdenden Softwareprojekts muss man irgendwann eine schwierige Entscheidung über Aufwand und Nutzen treffen.

Nach der Einstellung von WinhHam folgten bei mir SatPC-32, Nova for Windows, Hamradio Deluxe und aktuell wieder SatPC-32. Zwischendurch habe ich mir Winorbit und Orbitron angeschaut.

Über die Jahre ist SatPC-32 für mich der persönliche Favorit geworden.  Es erfüllt alle meine Ansprüche auf Funktionalität und läuft sehr stabil. Die DDE-Schnittstelle erlaubt eine Anbindung an Cloudlog. Dort werden die Satellitendaten aus SatPC-32 automatisch im Logbuch übernommen. (Siehe auch Bericht im kommenden AMSAT-DL Journal Dezember 2020). Natürlich entspricht das GUI von SatPC-32 nicht dem Standard heutiger Technologie. Mir ist es jedoch lieber, dass eine Software das macht was sie soll - als nur gut auszusehen, wie es aktuell eine grosse Hamradio Softwareschmiede tut.. Anfangs des neuen Millenniums war mein Favorit noch "Nova for Windows". Das GUI war damals sehr modern (und sieht heute noch gut aus). Die Entwicklung wurde jedoch eingestellt. Ist dafür kostenlos erhältlich und bereitet bei entsprechender Systemumgebung immer noch grosse Freude.


Erich Dk1TB, investiert viel Zeit in den Unterhalt von SatPC-32. Genau dies ist der Grund, wieso viele andere Applikationen mit den Jahren auf der Strecke blieben: Die Pflege beansprucht sehr viel Zeit. Die Systemumgebung verändert sich ständig, was ständig neue Releases erfordert. Und die Ansprüche der Benutzer werden auch nicht weniger.

 

Das sind die Punkte, die für mich ein gutes Bahnverfolgungsprogramm auszeichnen und meine Anforderungen erfüllen:

  • Gutes Releasemanagement, damit sich die Software gut in die veränderte Systemwelt einfügt uns stabil läuft.
  • Die Funktionen orientieren sich an der Praxis
  • CAT- und Rotorsteuerung
  • Anbindung oder integration eines Logbuchs (Satellit, Mode, Uplink- Frequenz, Downlink-Frequenz)
  • Dopplerkorrektur wird genau berechnet und lässt mehrere Strategien zu (Uplink, Downlink, Am Satellit)
  • Vorhersage für QSO-Fenster zwischen zwei Stationen oder Locator
  • Prioritätensteuerung für die automatische Nachführung mehrerer Satelliten (Zwecks Telemetrieempfang9
  • Verschiedene Analysemöglichkeiten der bevorstehenden Überflüge


Was SatPC-32 unter Windows ist, so ist (so meine ganz persönliche Meinung) MacDoppler auf Max OS und Gpredict auf Linux der jeweilige Leader:

Bei diesen "Leadern" wird stets an der Aktualisierung der Funktionalitäten gearbeitet. So wurden in allen Applikationen zu Beispiel sehr früh nach Erscheinen auch die Steuerung des IC-9700 implementiert. 

 

Potential, um ein gutes Trackingprogramm zu werden, hat das Satellitenmodul von Ham Radio Deluxe. Allerdings hat dieses Modul einen Fehler in der Doppler-Korrektur von Linear-Satelliten. Auch werden die Frequenzen von QO-100 nicht korrekt im Logbuch geführt. Hier zeigen allerdings die Macher von HRD im Moment keine Priorität zur Fehlerkorrektur. Ausser kosmetischen Anpassungen wurde in diesem Modul keine wesentlichen Neuerungen in letzter Zeit vorgenommen.

 

Ebenfalls Potential hat ausser meiner Sicht das Sat Modul von Ham Office. Leider fehlt zur Zeit noch die Anbindung einer Rotor- und CAT-Steuerung. Mal schauen, wann die Entwickler diese Feature im Backlog haben werden.

 

In diesem Beitrag habe ich die ganzen "Apps" für Smartphones ausser Spiel gelassen. Diese spielen in unserem Amateurfunk-Leben eine immer bedeutendere Rolle. Und irgendwo habe ich kürzlich mal aufgeschnappt, dass Bestrebungen im Gange, diesen Apps die Transceiver und Rotorsteuerung beizubringen. Im Moment fallen diese Apps unter meinem Radar durch. Ebenso die ganzen Onlinetools von N2YO, AMSAT oder Heavens Above. Vielleicht behandle ich diese Themen in einem späteren Blogbeitrag.

 

Zum Schluss noch einen Ausflugtipp in der Onlinewelt: Eine sehr gute Übersicht alter und neuer Satelliten Bahnverfolgungsprogrammen bietet die Webseite von Celestrak. Zwar ist auch deren Sammlung nicht komplett, was aber keinen Abstrich dieser Sammlung macht. Denn man findet neben den grossen Leadern auch weniger bekannte Applikationen. Auch solche von exotischen Betriebssystemen.

 

So hoffe ich, dass jeder für sich sein "bestes Trackingprogramm" darunter finden wird.

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