Präzise neben der Frequenz

Die Mittelbake (hier nicht kalibriert) weicht deutlich von der Soll-Frequenz 10489.750 ab
Die Mittelbake (hier nicht kalibriert) weicht deutlich von der Soll-Frequenz 10489.750 ab

Sehr interessiert, aber auch teilweise amüsiert höre ich gerne den Diskussionen auf dem QO-100 Transponder mit, wenn es um die Präzision der Frequenz geht. Da wird der eine oder andere Funkamateure «gescholten», wenn sein Uplink nicht präzise auf der gemeinsamen QRG liegt. Zurecht?

Nach einigen Jahrzehnten im Amateurfunkdienst über Satellit ist mir der Frequenzversatz im analogen Betrieb, mit Verlaub, «wurscht». Im Gegenteil: Mir fehlen die durch den Dopplereffekt hervorgerufenen unpräzisen Signale auf dem geostationären Satelliten allemal. Auf der anderen Seite finde ich es bewundernswert, mit wie viel Engagement die Funkamateurinnen und Amateure an den letzten Herz Frequenzgenauigkeit feilen. Doch wer hat mit welcher Methode nun recht?

 

Selbstzweifel
Empfangseitig nutze ich einen Kuhne Downconverter, der bis vor ein paar Monaten einen SDR Play und den FT-736 mit dem Downlinksignal von QO-100 versorgt hat. Ein GPSDO sorgt dafür, dass der Oszillator dort schwingt, wo er auch sollte. Sowohl beim FT-736 wie auch beim SDR Play lagen die Frequenzen der QO-100 Baken neben der definierten Soll Frequenz. Die Abweichung zwischen beiden Empfängern lag zusätzlich auseinander. Beim FT-736 vermutete ich, dass dies dem Alter von inzwischen über fast 30 Jahren geschuldet war. Und beim SDR Play eher an einer fehlerhaften (Software-) Kalibration, was meiner Faulheit zu zuschreiben ist. Nun – mit der SDR Console konnte ich die QRG des SDR Empfängers mit Hilfe der Bakensynchronisierung präzise einstellen (was sich später als Trugschluss herausstellen sollte). Die angezeigte QRG beim FT-736 war mir relativ gleichgültig, da es mir beim Transceiver nur wichtig war, die Downlink-QRG im Satellitenmodus auf die Uplinkfrequenz manuell einpegeln zu können (Old School, nennen es die jüngeren Generationen).
Obwohl ich Zweifel über die Richtigkeit meiner Konfiguration hatte, verlor ich lange Zeit keine weiteren Gedanken daran, da ja im Prinzip alles funktionierte wie gewollt. Bei der sonntägliche HB-Runde stelle ich den Downlink auf die QRG des Rundenleiters ein und gut ist's.

 

«Warum liegt die Bakenfrequenz zu tief?»
Eines Tages wurde ich gefragt, warum beim IC-9700 trotz GPSDO die Bakenfrequenz des QO-100 Transponders zu tief liegen würde. Eine populistische Antwortversuch wäre gewesen, dies auf die «bekannten» Probleme beim IC-9700 bezüglich Frequenzgenauigkeit abschieben zu wollen. Doch mir war schnell klar, dass die Abweichung von über 200Hz schwierig zu begründen ist.
Einige Monate später hielt auch bei mir der IC-9700 Einzug in meinem Shack - Willkommen in der modernen Welt. Und wenig überraschend: auch bei meinem IC-9700 lag die Frequenz daneben. Und zwar genau gleich präzise, wie die QRG-Anzeige beim FT-736. Ok – jetzt war meine Neugierde geweckt. Dieses Mysterium konnte ich nicht unbeantwortet stehen lassen. Da habe ich wohl einige Fakten in meine Überlegungen mit einbezogen. Doch fehlt mir immer noch ein entsprechender Messsenders, welcher mir schon mal einen Anhaltspunkt hätte geben können. So blieb ich mit meinen Annahmen erst einmal auf dem Abstellgleis.

 

Nein, nicht der Doppler-Effekt

Die konstante Abweichung von weit über 100Hz konnte ich nicht auf einen Doppler-Effekt zurück führen. Irgendwann hätte ein Gegendrift statt finden müssen und das ist nicht der Fall.

Den Doppler-Effekt gibt es bei QO-100 tatsächlich!: Daniel Estevez hat diesen gemessen und ausgewertet. Dadurch schloss er auf Ursachen wie Ein- und Austritt des Erdschattens (Strahlungsdruck der Sonne) sowie Bahnmanöver um die Position halten zu können.

 

Lösung im AMSAT-DL Journal

Das AMSAT-DL Journal hat mir schon manch interessante Lehrstunde in den letzten 30 Jahren verpasst. Und auch zu diesem Thema kam ich zum Aha-Erlebnis. Schon in der Ausgabe Nr. 2 Juni 2022 hat Hans Jürgen Hartfuss, DL2MDQ, sich sehr ausführlich mit dem Bakenoffset beschäftigt. Dabei behandelte er vor allem den Doppler-Effekt als Ursache.
Anscheinend liess ihn danach das Thema nicht mehr los. Denn gemeinsam mit Gary Immelman, ZS6YI, und Florian Meissner des DLR Oberpfaffenhofens, führte er eine längere Messserie der Telemetriebake durch. Im AMSAT-DL Journal Nr.2 Juni 2023 veröffentlichte das Team einen ausführlichen Bericht über sieben Seiten.

Grob auf den Punkt gebracht: Die Messserie gab einen Offset von -160Hz. Und dieser Wert steigt langsam und stetig an. Inzwischen liegt der Wert auf über -200Hz.

Im Bericht wird die Annahme getroffen, dass dieser Frequenzdrift durch den Alterungsprozess des Lokal Oszillators im QO-100 Transponder verursacht wird. Diese Annahme ist sehr plausibel. Dass dieser Versatz vom Transponder selbst stammt, wird durch eine Messung der Bakensender in Bochum bestätigen. Da wir den genauen Aufbau des Transponders nicht kennen und auch nicht nachmessen können, kann diese Aussage nicht abschliessend nachgeprüft werden.  

 

Präzise liegen wir nun daneben: 

Wenn Funkamateur A mit einem hochpräzisen Messsender sein Equipment kalibriert und mit Funkamateur B, welcher sein Downlink über die Bake kalibriert, einen Sked vereinbaren, werden sie sich wohl zur Zeit schlecht und zukünftig gar nicht mehr hören.

Diesen Effekt beobachten wir wöchentlich auf unserer Schweizer Satelittenrunde auf 10489.740. Die Runde beginnt oft mit der Feststellung, dass die eine oder andere Station nicht präzise auf der Sked Frequenz ist. Diese doch recht unschweizerische Tatbestand führt natürlich sofort zu Diskussionen. Gut, kenne ich nun die Ursachen nun genauer und kann für mich reagieren.

Einfache Lösung: Den Empfangsfrequenz präzise auf den Rundenleiter einstellen und im Vollduplex-Betrieb! nachjustieren. Ja, der Vollduplex Betrieb wird seit Jahren von der AMSAT nicht zu unrecht gepredigt. Nebst der Frequenzgenauigkeit gibt es noch einen weiteren Grund, welcher hier nachgelesen werden kann.

 

Fazit:
Ich bin sehr dankbar, dass es ambitionierte Funkamateure wie DL2MDQ, ZS6YI und EA4GPZ gibt, welche solchen Fragestellungen akademisch auf den Grund gehen und publizieren. Super, nun durfte ich wieder etwas Neues lernen.

 

Mal schauen, wie sich das Thema weiter entwickelt. Der Alterungsprozess ist ja nicht aufzuhalten. Wie passen sich die Anwender an? Und reagieren die Betreiber auf diesen Umstand? Interessant wäre nun, wenn eine der vier Baken den Alterungsprozess adaptieren würde, damit der Offset noch deutlicher beobachtet werden kann.

Quellen:
Blog Daniel Estevez  -   https://destevez.net/2018/12/eshail-2-differential-doppler-measurements/

AMSAT DL Journal Nr 2 Juni 2022

AMSAT DL Journal Nr 2 Juni 2023

 

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Kommentare: 1
  • #1

    Thomas HB9SKA (Donnerstag, 21 März 2024 16:18)

    Es darf nicht vergessen werden, dass QO-100 selbst keine Bake hat, sondern das "Bakensignal" in Bochum über den Transponder gesendet wird. Da wird sich die Sollfrequenz noch zusätzlich verschieben. Wenn die Bakenfrequenz ständig absinkt, könnte man ja in Bochum diese um einige Hertz erhöhen.

    73 Thomas